Von Schumann bis Robin Hood – CJSO begeistert mit Leidenschaft, Mut und Ausdruck
Mit Leidenschaft und Präzision führte das 47-köpfige Chiemgau Jugendsymphonieorchester (CJSO) am Sonntag in der Achentalhalle Unterwössen sein diesjähriges abschließendes Herbstkonzert auf. Unter Leitung von Dirigentin Ya-Wen Köhler-Yang begeisterten die jungen Musiker und Musikerinnen – überwiegend aus den Musikschulen des Landkreises Traunstein – mit einem eindrucksvollen Programm. Eine – nach Vorurteil gegenüber dem Beruf – als kühl und rational einzuschätzende Informatikerin, die Carolina Feninger, badete in den Emotionen des Publikums und Mitmusikern. Die Flötistin entfachte sie selbst.
Der Abend reichte von romantischer Oper bis zu epischer Filmmusik. Das Orchester überzeugte mit musikalischem Können. Und es bewies zusätzlich, wie tief die Jugendlichen in die Werke eintauchen, die sie in ihrer Freizeit erarbeiten.
Im Auftakt des Abends gab es Robert Schumanns „Ouvertüre zu Genoveva“, ein Werk, das lyrische und dramatische Elemente meisterhaft vereint. Vom ersten Takt an fesselten die Musikerinnen und Musiker das Publikum mit präziser Dynamik und feiner Artikulation. Im Stück lebt Schumanns romantische Klangsprache auf. Besonders in den sanfteren Passagen bewiesen die jungen Instrumentalisten großes Gespür für Ausdruck und die Phrasierung, die Betonung. Das Zusammenspiel funktionierte tadellos und verdeutlichte, wie intensiv das Orchester diese anspruchsvolle Komposition erarbeitete.
Die meisten der jungen Musiker gehen noch zur Schule. Sie bewerben sich für eine Teilnahme und lassen sich dann in ihrer Freizeit auf ein so komplexes Programm ein. Bis das Projekt, für sie in einer öffentlichen Generalprobe und dann drei Konzerten endet, bedarf es eines gerüttelten Maßes an Leidenschaft und Disziplin. Die Werke Schumanns und Dvořáks verlangen den Jugendlichen neben technischer Brillanz ab, sich intensiv mit den verschiedenen musikalischen Stilen auseinanderzusetzen. Die Vielschichtigkeit der Werke vermittelt ihnen ein Gefühl für musikalische Ausdruckskraft und Interpretation, das weit über reine Technik hinausgeht.
Mit dem „Flötenkonzert in G-Dur, Op. 29“ von Carl Philipp Stamitz glänzte die angesprochene Querflötistin Carolina Feninger als Solistin. Virtuos und mit klarer Tonführung meisterte sie die rasanten Läufe. Schön erklangen die ornamentierten Melodien, die feinen Schnörkel, die Stamitz mit zusätzlichen Tönen und rhythmischen Elementen dem Soloinstrument abverlangt. Feningers Darbietung strahlte die erhoffte Leichtigkeit aus und zeigte ihr außergewöhnliches technisches Können. Dirigentin Köhler-Yang und das Orchester unterstützten die Solistin großartig sensibel, sodass das Zusammenspiel zwischen Flöte und Orchester wunderbar ausgewogen wirkte. Die Musik im Stil der Mannheimer Schule, deren Eleganz und Präzision sich im Orchesterklang widerspiegelte, riss das Publikum mit. Für die Solistin vor allem, aber auch das Orchester gab es minutenlangen Beifall der Zuschauer und der Musiker, den sie am Ende mit einem Blumenstrauß in der Hand allein in der Front des Orchesters sichtlich genoss.
Überaus gelungen, wie die Posaune aus der Konzertpause rief. Anton Bruckners „Die Trösterin“, arrangiert für ein Posaunenquartett, stellt besondere Herausforderungen. Vier ähnlich klingende vier Posaunen blieben in der doch so ähnlichen Melodie erkennbar und bewahrten feine Harmonie. Die Dirigentin Ya-Wen Köhler-Yang unterstützte meisterhaft.
Es war hilfreich für das Publikum in der gut besuchten Achentalhalle, dass sich Simon Nagl vom CJSO vor Dvořáks sinfonischer Dichtung die Zeit nahm. „Die Mittagshexe“, erzählt er: An einem idyllischen Vormittag droht eine Mutter ihrem ungezogenen Kind, die Mittagshexe werde es holen, wenn es nicht brav sei. Tatsächlich erscheint die Hexe, und ein Kampf entbrennt zwischen Mutter und Hexe. Mit dem Klang der Mittagsglocken verschwindet der Spuk – doch das Kind liegt tot in den Armen der Mutter, als der Vater beide findet.“
Dem CJSO gelang in der so anspruchsvollen Programmmusik die gruselige Atmosphäre herausragend. Das düstere, mythische Werk fordert das Orchester mit plötzlichen Rhythmuswechseln und tiefen, melancholischen Themen. Die Musiker bewältigten die Spannung und die emotionalen Kontraste meisterhaft, die die Geschichte der bedrohlichen Hexe musikalisch untermalen. Besonders die Blechbläser überzeugten mit druckvollen Einsätzen, die die unheimliche Atmosphäre des Werks verstärkten. Die Jugendlichen zeigten hier Mut und Können, sich auf die dramatischen Stimmungen einzulassen. Für viele Zuhörer war diese emotionale Mischung mit ihrem so traurigen, wie bombastischen Ausklang der Höhepunkt des Abends, erfuhren wir im Nachhinein.
Dvořáks „Slawischer Tanz Nr. 2 in e-Moll“, ein Werk voller lebendiger Energie und volkstümlicher Melodien, war da schon gesuchte Entspannung. Der Komponist entführte in die Welt der slawischen Musiktradition. Das Orchester spielte den Tanz rhythmisch präzise und lebendig, die verschiedenen Instrumentengruppen harmonierten in den wechselnden Stimmungen des Stücks. Für ihn typisch wechselt Dvořák zwischen kraftvollen und zarten Passagen. Das setzte das Orchester mit viel Spielfreude und klanglicher Raffinesse um. Dabei zeigte es sein Gespür für den tänzerischen Charakter der Musik und die Feinheiten der Dynamik.
Am Ende des offiziellen Teils ein Highlight: die Filmmusik zu „Robin Hood – König der Diebe“ von Michael Kamen. Die Jugendlichen erweckten die heroische Stimmung und die dramatischen Bögen des Arrangements von Erick Debs zum Leben. Die Streicher setzten weiche Klangflächen, die Bläser beeindruckten mit kraftvollen Einsätzen, die den legendären Bogenschützen und seine Abenteuer musikalisch zum Leben erweckten. Für viele im Publikum war dies der emotionale Höhepunkt des Abends.
Auch die Zugabe kam aus diesem Film. So erzeugte das CJSO in der Achentalhalle noch einmal einen besonderen Moment zum Abschluss ihres diesjährigen Projekts. Eine öffentliche Generalprobe gab es in Inzell, drei Konzerte im K1, Traunreut, im Annette-Kolb-Gymnasium, Traunstein, und jetzt – zuletzt – in Unterwössen. Die Achentalhalle, ein verdient akustisch guter Ort für einen Abschluss mit jugendlichen Musikern.
Es war kein Ende, das Projekt gibt es auch nächstes Jahr. Aber es war auch wehmütiger Abschied von Andreas Kapellner als Organisator und vor allem von Monika Gaggia als Orchestermanagerin. Sie hatte nach Corona das Heft in die Hand genommen und das Projekt zurück ins Leben geführt, so empfand Wolfgang Diem, der Grassauer Musikschulleiter für die beteiligten Musikschulen. Gaggia und Kapellner verlassen den Landkreis.
Das Publikum honorierte die Leistung der Jugendlichen mit minutenlangem Applaus und zeigte mit Spenden, wie sehr es die Arbeit und das Talent des Orchesters schätzt.
Das Chiemgau Jugendsymphonieorchester
Das Chiemgau Jugendsymphonieorchester (CJSO) ist ein regionales Jugendensemble im Landkreis Traunstein, das junge, talentierte Musikerinnen aus verschiedenen Musikschulen im Chiemgau vereint. Gegründet mit dem Ziel, die musikalische Ausbildung und das Gemeinschaftsgefühl unter Jugendlichen zu fördern, bietet das Orchester jährlich eine Plattform für intensive Proben und anspruchsvolle Konzertprojekte. Es zeichnet sich durch ein hohes musikalisches Niveau und eine vielseitige Programmgestaltung aus, die klassische Werke, Filmmusik und oft auch zeitgenössische Kompositionen umfasst.
Unter der erfahrenen Leitung der Dirigentin Ya-Wen Köhler-Yang arbeiten die Jugendlichen zunächst in ihrer Freizeit, später zum Abschluss in den Ferien im Orchester